Die Ausbildung zum PPL(A)-Piloten ist eine spannende Zeit und geprägt von zahlreichen Zwischenstationen, wie der Prüfung für das Sprechfunkzeugnis, dem ersten Soloflug in der Platzrunde oder der theoretisch und praktischen Prüfung zum Ende der Ausbildung.
Eine besondere Erfahrung durften wir als Flugschüler zusammen mit unseren beiden Vereinskollegen Christian und Philipp, welcher auch gleichzeitig unser Fluglehrer ist, erleben.
Mitte Oktober flogen wir zu viert von Braunschweig (EDVE) mit einem Zwischenstopp in Aalborg/Dänemark (EKYT) nach Bergen-Flesland/Norwegen (ENBR) und wieder zurück nach Braunschweig. Unterwegs waren wir mit unserer „Vereins-Rakete“, der Cirrus SR22 (Kennung D-ERHD).
Zunächst war geplant, dass wir am Samstagmorgen losfliegen, einen kurzen Tankstopp in Aalborg einlegen und uns weiter nach Bergen begeben. Diesen Plan durchkreuzte der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg allerdings ein paar Tage vorher, da am Samstag Markierungsarbeiten auf den Rollwegen und der Piste durchgeführt wurden und ein Flugbetrieb an dem Tag nicht möglich war.
Kurzerhand stellten wir unseren Plan um und starteten schon am Freitagnachmittag. Geflogen sind wir zunächst bis Aalborg, um dort eine Nacht zu verbringen und die Cirrus SR22 aufzutanken. Am nächsten Morgen flogen wir weiter nach Bergen und am Folgetag erneut mit einem Tankstopp in Aalborg zurück nach Braunschweig.
Die insgesamt vier Flugsegmente wurden nach Instrument Flight Rules (IFR) durchgeführt, um unabhängig vom Wetter und den Tageszeiten unterwegs sein zu können. Diese Variante stellte sich hinterher als sehr sinnvoll heraus, da das Wetter in Norwegen mit einer niedrigen Hauptwolkenuntergrenze und entsprechend schlechter Sicht, Regen und teils starken Winden im Vergleich zu Deutschland und dem Rest Europas an jenem Wochenende erheblich schlechter war.
Philipp hatte unsere Flugabsicht vorher durch einen detaillierten Flugplan online bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) aufgegeben. Das ist bei jedem IFR-Flug erforderlich, damit die Flugsicherung weiß, welche Luftfahrzeuge in größeren Höhen unterwegs sind und die Flugbewegungen entsprechend koordinieren kann. Ein solcher Flugplan kann auch kurz vor dem Start oder sogar während des Fluges (en-route) geändert werden. Dieses mussten wir auch tun, da sich auf dem Rückflug über Norwegen ein Gewitter zu entwickeln drohte, welches direkt auf unserem Kurs lag.
Den Großteil der Flugzeit führten wir in einer Höhe von zirka 10.000 Fuß (zirka 3.050 Meter) über der theoretischen Normaldruckfläche durch, was in der Fliegerei als Flugfläche 100 (Flight Level 100) bezeichnet wird. Dabei flogen wir auch durch geschlossene Wolkendecken und zwischen unterschiedlichen Wolkenebenen hindurch. Insbesondere auf dem Rückflug war es atemberaubend, wie man über 10.000 Fuß das Sonne- und Wolkenspiel in aller Schönheit genießen kann – unabhängig von dem durchwachsenen Wetter am Boden.
IFR-Flüge benötigen besondere Erlaubnisse, um beispielsweise den Motor des Flugzeugs am Boden anlassen und den Flug überhaupt antreten und durchführen zu dürfen (IFR-Clearance). Diese Erlaubnisse werden über den Flugfunk angefordert. Dieses Verfahren unterscheidet sich erheblich von den Regeln der Sichtfliegerei (Visual Flight Rules – VFR), nach denen wir derzeit ausgebildet werden. Hierbei ist auch ein Funkkontakt zur jeweiligen Flugaufsicht am Flugplatz erforderlich, allerdings ist beispielsweise keine Erlaubnis zum Anlassen des Motors erforderlich.
Auch konnten wir feststellen, dass der gesamte Flugfunk bei IFR-Flügen in englischer Sprache abgewickelt wird, wobei bei VFR-Flügen in Deutschland überwiegend in deutscher Sprache kommuniziert wird. Während der Flüge hatten wir unter anderem Funkkontakt mit der Deutschen Flugsicherung in Bremen, der dänischen Flugsicherung in Kopenhagen und der norwegischen Flugsicherung, was einen häufigen Frequenzwechsel erforderlich machte. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig und nützlich eine fundierte Flugvorbereitung am Boden ist. Sie hat uns in dieser Situation sehr geholfen, indem bereits vorab die voraussichtlichen Frequenzen eingespeichert werden konnten. So kann der Pilot noch konzentrierter bleiben und die Sicherheit in der Luft erhöhen
In Bergen angekommen erfuhren wir einen ganz besonderen Service des Flughafens. Nachdem wir unser Flugzeug auf einer Außenposition geparkt und mit Seilen verzurrt hatten, um es vor einem Wegrollen von der Parkposition bei stärkerem Wind zu schützen, wurden wir von unserem Flugzeug mit einem großen Ziamonika-Bus abgeholt, mit welchem normalerweise Passagiere von Linienflügen zu den Flugzeugzeugen gefahren werden. Dieser Bus wurde dann exklusiv von unserer kleinen Flugzeugbesatzung mit vier Personen genutzt – ziemlich dekadent :).
Es war echt toll, wie freundlich und äußerst bemüht die Mitarbeiter an skandinavischen Flughäfen waren und uns den Aufenthalt am Boden so unkompliziert und angenehm wie möglich gestalteten. Neben der Fliegerei sind Aalborg und Bergen sehr schöne Reiseziele, welche sehr gut aus Braunschweig erreichbar sind. Den Zwischenstopp in Aaolborg nutzten wir, um abends in einer lokalen Brauerei leckere Burger zu essen und süffiges, vor Ort gebrautes Bier zu trinken (http://soegaardsbryghus.dk). Hier gab es unter anderem das Bier „Flight of Icarus“ – es hätte kein Bier mit einem zutreffenderen Namen geben können, seitdem nannten wir die Cirrus SR22 „The flying Icarus“. Und was war wohl unsere Essenswahl in Bergen? Richtig, köstlicher Lachs, in geräucherter und gegrillter Form – einfach lecker!
Für uns als Flugschüler war es spannend, die Bedienung der Cirrus SR22 zu beobachten. Bei unseren Ausbildungsflugzeugen handelt es sich um die Modelle Aquila 210 und 211, welche für Flugschüler auch schon komplex in der Bedienung sind. Die Anforderungen an den Piloten der Cirrus SR22 sind aber noch einmal erheblich größer. Dabei müssen die Motoreinstellungen, wie zum Beispiel die Benzingemisch-Einstellung und die Bedienung des Glascockpits mit den zahlreichen Navigationseinstellungen gekonnt sein. Wir können nun gut nachvollziehen, warum eine umfangreiche Einweisung auf dieses Flugzeug erforderlich ist, um sicher und mit dem gewünschten Spaß fliegen zu können. Äußerst beeindruckend war die gefühlte „Einfachheit“ der IFR-Fliegerei. Wie schon erwähnt, hatte Philip vorab eine detaillierte Flugplanung durchgeführt und IFR-Wegpunkte (Namen mit fünf Buchstaben, z.B. ULSEN bei Uelzen) als Routing ins Glascockpit einprogrammiert. Diese Wegpunkte werden dann während Flugs als Flugroute abgeflogen, um ans Ziel zu gelangen. Auf dem Rückweg hatten wir auch geplant, mehrere dieser Wegpunkte von Bergen über Aalborg nach Braunschweig abzufliegen. Kurz nach dem Abheben in Aalborg fragte uns der Fluglotse von Copenhagen Control, ob wir ein direktes Routing nach Braunschweig möchten, sodass wir verschiedene Wegpunkte auf dem Weg dorthin einfach weglassen konnten und vom nördlichen Dänemark bis nach Braunschweig einen direkten Steuerkurs flogen, einfacher geht es wohl kaum :).
Das gesamte Wochenende war eine tolle Erfahrung und hat unser Verständnis der Fliegerei und von dem Zusammenspiel aller Akteure in der Luft und am Boden ungemein verbessert. Wir sind uns sicher, dass mit dem Erlangen der PPL(A)-Lizenz bei uns nicht Schluss sein wird, das Wochenende hat Lust auf mehr gemacht und das Interesse an weiteren Schritten in Richtung IFR-Fliegerei geweckt.
Ein großer Dank geht an Christian und Philipp, welche die Idee für dieses tolle Wochenende hatten und uns zwei tolle Tage beschert haben! Gerne gehen wir wieder gemeinsam in die Luft. :)